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Häufig bekomme ich die Frage, wie der Bericht zu einem (von mir betreuten) Praxisprojekt (PP) im AI-, MI- oder WI-Bachelor aussehen sollte. Deshalb dazu ein paar Gedanken und Hilfestellungen. Disclaimer: Der nachfolgende Text gibt lediglich meine persönliche Meinung wieder und stellt keine rechtsverbindliche Grundlage einer Bewertung dar.

Das Modulhandbuch Informatik Bachelor (Stand: 31.08.2013) sagt zum Praxisprojekt: „Die Studierenden sollen lernen, Methoden und Techniken, die sie im Studium erlernt haben, in einem realitätsnahen Projekt weitgehend selbstständig anzuwenden“. Inhalt ist die „Anwendung von Modulinhalten des ersten bis fünften Semesters anhand von realen Anforderungen in einem praxisrelevanten Kontext“ (Hervorhebungen alle von mir).

Die Forderung der Realitätsnähe und Praxisrelevanz bedeuten, dass das PP die Gelegenheit eröffnet, sich ein komplexes Themenfeld systematisch zu erschließen. Das gilt insbesondere, wenn es die Vorbereitung auf eine thematisch darauf aufbauende Bachelorarbeit (BA) darstellt. Ein PP beginnt man also selten mit einer ganz klar definierten Themenstellung. Vielmehr arbeitet man oft explorativ („mal nach links, mal nach rechts schauend“) und sucht nach Übersicht sowie nach den Aspekten, die für die BA relevant sein können.

Die BA hat eine klar dokumentierte und kontrollierte Dauer; hier ist eine fokussierte Themenstellung essentiell. Das PP sorgt (im Idealfall) dafür, dass diese fokussierte Themenstellung entstehen kann. Inhalt eines PP kann daher beispielsweise sein:

  • Recherche eines komplexen Themenfeldes, um Forschungsfrage und –Design der BA sauber definieren zu können,
  • einen Proof-of-Concept für einen Problemlösungsansatz, der in der BA dann vertieft betrachtet und ausgearbeitet wird,
  • Spezifikation und Implementation eines Basisfunktionalität / Plattform / Library / …, die für die zeitlich begrenzte Arbeit an der BA gebraucht wird,

Beim PP zählt weniger die Dauer, sondern die die Menge an investierter Arbeit, die den 15 CP (= 450 Arbeitsstunden, = ca. 2-3 Monate Vollzeit-Arbeit) entspricht.

Wie sollte jetzt eine gute PP-Dokumentation aussehen?

  • Sie sollte eine Arbeit von 450h angemessen dokumentieren, d.h. so viel inhaltliche Tiefe aufweisen, dass sich die Menge der investierten Arbeit wiederspiegelt.
  • Das ist nur schwer in Seitenzahlen zu übersetzen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man obige Forderung in nur 10 Seiten erreicht. Andererseits können 25 Seiten mit gut geschriebenem, kompakten Text einen hervorragenden Überblick geben, während 80 Seiten Blähtext überhaupt nichts aussagen. Lassen Sie also bitte Ihre eigene Intuition entscheiden, oder – fragen Sie mich einfach im konkreten Fall.
  • Die PP-Dokumentation folgt den denselben strengen Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten – sinnvolle Auswahl der Quellen, keine Wikipedia-Referenzen, Zitate kennzeichnen, etc.
  • Die Gliederung einer PP-Dokumentation ist oft allerdings weniger „geschlossen“ als die einer BA. Sie kann durchaus einen etwas episodischen Charakter haben. Schließlich geht es darum, die geleistete Arbeit zu dokumentieren. Dazu gehören auch auch Teilergebnisse, die dann nicht mehr weiterverfolgt wurden.

Noch eine (für mich) sehr wichtige Anforderung zum Schluss: Der PP-Bericht ist ein eigenständiges Dokument. Sie können (und sollten!) es in der BA als Quelle referenzieren. Ein wortwörtliches Kopieren von Textteilen aus dem PP-Bericht in die BA ist ein (Selbst-)Plagiat, und gehört damit zu den schlimmeren Sünden des Wisssenschaftsbetriebs.