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CoverBente, S. (2014). Kollaborative Enterprise-Architektur – Managementwerkzeug für komplexe IT-Systeme. In: Klaus-Peter Schoeneberg (Hrsg.): Komplexitätsmanagement in Unternehmen – Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern. Wiesbaden: Springer-Gabler.

Die Informationstechnologie (IT) ist etwa 50 Jahre alt, ist also eine vergleichsweise junge Disziplin. Dennoch hat die IT in dieser Zeit die Geschäftstätigkeit von Unternehmen in einer Art verändert wie vor ihr wohl nur die Dampfmaschine. Firmen hängen heute sowohl in beim operativen Tagesgeschäft wie auch bei der langfristigen Planung stark von der IT ab – und sie muss stabil, effizient und gut an die Bedürfnisse der Fachseite angepasst sein.

Die Wirklichkeit sieht leider anders aus: IT ist oft schwerfällig, teuer und unflexibel. Woran liegt das? Im Zuge ihres Siegeszuges in der Geschäftswelt hat die IT eine beträchtliche Komplexität erreicht. Ein global operierendes Unternehmen kommt leicht auf mehrere Tausend IT-Applikationen, die wiederum auf Hunderten verschiedenen Software- und Hardware-Plattformen aufbauen. Dies führt zu einer organisch gewachsene IT-Landschaft, die zudem durch fortgesetzte Unternehmensakquisitionen und -Verkäufe durcheinander­gewirbelt wird. Das Ergebnis ist ein hochgradig redundantes, schwer zu wartendes Gesamtsystem.

Ein Mittel, um dieser Komplexität Herr zu werden, ist Enterprise-Architektur (EA). Als Hygienefaktor wirkt sie dem Chaos entgegen. Ein Enterprise-Architekt stellt sicher, dass Änderungen in der IT-Landschaft einen geschäftlichen Nutzen haben, und arbeitet auf die Reduzierung von IT-Komplexität und -Kosten hin. EA ist mittlerweile, zumindest in Großunternehmen, ein allgemein akzeptiertes Managementwerkzeug, mit Industriestandards für Vorgehensmodelle und Tools.

Allerdings muss man bei genauer Betrachtung feststellen, dass trotz hoher Investitionen ein großer Prozentsatz der EA-Initiativen nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Als Ursache findet man unter anderem eine unscharfe Wahrnehmung der inhärenten Komplexität der IT: Sie wird als rein technisches, nicht als sozio-technisches System begriffen. Dies kann zu fehlendem „Buy-In“ von Management und Fachseite sowie zu übermäßig bürokratischen Prozessen und einer Elfenbeinturm-Mentalität auf Seiten der EA-Gruppe führen.

Ein weiterer Trugschluss ist die Annahme, dass eine EA-Gruppe die IT bis auf die operative Ebene hinunter steuern kann – eine Nichtbeachtung von Ashbys Gesetz, dass sich Komplexität nur bewältigen lässt, wenn der Handelnde dieselbe Komplexitätsstufe einnimmt wie das zu bewältigende System. Die EA übernimmt sich zwangsläufig mit solch einer Aufgabe und wird zum Papiertiger oder zum Bibliothekar, der nur die IT-Dokumentation verwaltet, aber nichts mehr verändert.

Der Gegenentwurf zu dieser Art von EA ist kollaborative Enterprise-Architektur, die drei Leitlinien folgt:

  • Etablierung eines schlanken Satzes von IT-Prozessen und Regeln, anstatt die Beteiligten mit bürokratischen Prozeduren und unnötigen Dokumenten zu überschwemmen
  • Übergang zu einem evolutionären und iterativen IT-Planungs- und Problemlösungsprozess, anstatt die gesamte Zukunft minutiös vorauszuplanen
  • Förderung von Partizipation verschiedener Gruppen im Unternehmen an IT-Entscheidungen, anstatt nur auf Expertenwissen und Top-Down-Kommunikation zu vertrauen

Mit Anleihen bei agilen Prozessen, Lean Management und Enterprise-2.0-Konzepten können diese Grundsätze mit Leben gefüllt werden. Eine schlanke, agile EA nutzt einen iterativen Ansatz, um breite Einbindung aller Interessensgruppen und flexible Prozess-Strukturen zu erreichen. So kann das IT-Top-Management schneller und beweglicher planen und handeln.