Arbeitsteilung ist ein zentrales Merkmal einer Industriegesellschaft. Dazu wird die Wertschöpfung beziehungsweise Produktherstellung so in Prozessschritte zerlegt, dass die einzelnen Teilaufgaben der optimiert werden können. In der Automobilindustrie als Vorreiter der Industrialisierung ist diese Arbeitsteilung über das Fließbandprinzip bis zur erheblichen Reduktion der Fertigungstiefe weit vorangeschritten. Bezogen auf DWH/BI ergeben sich aus diesem Gesichtspunkt verschiedene Fragen, wie zum Beispiel:
- Ist eine Arbeitsteilung bei der Entwicklung der DWH/BI-Infrastruktur möglich und sinnvoll?
- Wenn ja, in welcher Form? Welche Rolle spielen dabei Offshoring, beziehungsweise Outsourcing der Entwicklungstätigkeit?
- In welchem Umfang ist es sinnvoll, die Implementierungstiefe von DWH/BI-Infrastruktur zu reduzieren, zum Beispiel durch den Einsatz von vorkonfigurierten Standardkomponenten oder Standardgesamtlösungen?
- Unter welchen Bedingungen ist es sinnvoll, den Betrieb der DWH/BI-Infrastruktur teilweise oder komplett auszulagern? Welche Rolle spielen dabei Cloud-Lösungen? Für welche Anwender bieten Software-as-a-Service oder BI-as-a-Service sinnvolle Perspektiven?
Die Umfrage und die Interviews zur DWH/BI-Industrialisierung, die von einem Forschungsteams der TH Köln durchgeführt wurde, (→ Umfrageübersicht , → erste Auswertungsergebnisse) zeigt gerade zu diesen Themen kontroverse Standpunkte auf.
Drei Viertel der Befragten verbinden die DWH/BI-Industrialisierung nicht mit den Themen „Orchestrierung externer Dienste (Outsourcing, BI on-demand, BIaaS)“. Allerdings stimmen 60% der Befragten der Aussage zu, dass das Thema „Cloud Solutions“ und das Wissen über die Orchestrierung von BI-Services wichtige Themen der nächsten fünf Jahre sind (s. Abb. 1).
Die Einbeziehung externer Dienstleister in die Onshore-Entwicklung und den Onshore-Betrieb ist längst etabliert. Dem gegenüber stehen allerdings zahlreiche negative Erfahrungen mit Offshoring im DWH/BI-Bereich, gerade auch im Hinblick auf die Arbeitsverlagerung in weit-entfernte Länder. Unklare Anforderungsspezifikationen, fehlendes Fachwissen des Dienstleisters, unzureichende Zusammenarbeit, lange Reaktionszeiten sowie kulturelle Unterschiede und eine fehlende Vertrauensbasis werden als häufigste Problemquellen genannt. Zudem wird angeprangert, dass sowohl Outsourcing als auch Offshoring die Umsetzungsgeschwindigkeit von Anforderungen verlängert. Auf der anderen Seite werden weitgehende Formen der Arbeitsteilung hingegen seit Jahren sowohl in der Entwicklung als auch im DWH/BI-Betrieb erfolgreich praktiziert. Je stärker die Aufgaben Technik-geprägt und standardisierbar sind, umso besser scheint die externe Dienstschöpfung zu funktionieren. Und umgekehrt erscheint die externe Vergabe umso schwieriger, je näher die Aufgaben an der Anwendung angesiedelt sind. Es wird die Frage aufgeworfen, unter welchen Bedingungen das Grundprinzip der Arbeitsteilung, hier auf die typische Schichtenarchitektur einer Datawarehouse-Infrastruktur im Allgemeinen, beziehungsweise auf der Trennung von Fachlichkeit und Technik im Besonderen, unter den Aspekten Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sinnvoll anwendbar ist. Insbesondere sind die Aufwände und Risiken des Betriebs einer Schnittstelle zur Arbeitsauslagerung mit deren Vorteile abzuwägen. Einige Firmen haben Strategien entwickelt, welche DWH/BI-Aufgaben unter welchen Bedingungen ausgelagert werden. Andere stehen noch vor Neuland, wünschen sich Best Practices dafür oder sind demgegenüber generell skeptisch.
Trotz aller Schwierigkeiten werden von Unternehmensvorständen zunehmend die Reduktion der Eigenentwicklung, der vermehrte Einsatz von „Managed Services“ und der Aufbau des spezifischen Methodenwissens gefordert. Aus den Befragungen ist der sicher nicht überraschende Eindruck zu gewinnen, dass dies im Besonderen für die Branchen gilt, deren Kerngeschäft bereits durch einen hohen Grad an Standardisierung geprägt ist.
Ähnliches gilt auch für Cloud-Dienste. Obwohl die Mehrheit von einer großen zuküntigen Bedeutung von Cloud-Technologie für BI überzeugt ist (s. Abb. 2), reicht das Meinungsspektrum auch hier von genereller Skepsis oder Ablehnung bis zu deutlicher Forcierung als Teil der Unternehmensstrategie. Als gravierendster Einwand werden Datensicherheit und regulatorische Anforderungen vorgebracht. Nichtsdestoweniger wird der Cloud-Einsatz zumeist von Fachabteilungen vorangetrieben, zumal wenn Daten nicht die höchste Schutzbedürftigkeit haben. Wo Datenschutz, Datenqualität und Datenintegration nicht im Vordergrund stehen, kann der Cloudeinsatz offenbar eine schnelle Umsetzung von Berichtsanforderungen der Fachabteilung ermöglichen. Wie der Interessenkonflikt zwischen der IT-Abteilung und den Anwendern über Compliance und Governance im Zusammenhang mit Cloud-Lösungen ausgetragen wird, hängt entscheidend auch von der jeweiligen Unternehmens-, beziehungsweise IT-Strategie ab – und falls diese dafür keine Regeln liefert – letztendlich von den Machtverhältnissen im Unternehmen. Es zeichnet sich aus den Befragungen ab, dass die „Cloud“ nicht das klassische DWH in Großunternehmen ablösen, sondern im Sinne des von Gartner propagierten Trends zur „bipolaren BI“ ergänzen wird, während sie im Mittelstand eine zentrale Rolle einnehmen könnte.
Die hier dargestellte Zusammenfassung der Befragung gibt ein nicht-repräsentatives Meinungsbild wieder. Aus ihr werden Tendenzen sowie Anregungen für nachfolgende Untersuchungen abgeleitet. Die Forschung daran wird weitergeführt und Interessenten und potentielle Interviewpartner sind zur Teilnahme gerne eingeladen. Eine diese Diskussion weiterführende Veröffentlichung ist geplant.
Autor dieses Blogbeitrags: Westenberger, Hartmut
Technische Hochschule Köln, Institut für Informatik
Datum: 10. August 2016