Obwohl der Einsatz von Informationstechnologie in Unternehmen immer wieder neue wettbewerbsdifferenzierende Innovationsschübe erfährt, erreichen einige Teildisziplinen einen Reifegrad, der eine weitgehende Standardisierung, Automatisierung und Modularisierung ermöglicht. In Anlehnung an den Übergang vom handwerklich geprägten Produktionsprozess zum modernen Wertschöpfungsprozesses hat sich dafür der Begriff der IT-Industrialisierung eingebürgert, der auf Hardware, Software und IT-Services bezogen werden kann, wobei die Industrialisierung von IT-Services nach Walter und anderen durch die drei Entwicklungstrends „Dienstleistungsorientierung“, „Prozessorientierung“ und „Architekturorientierung“ geprägt ist [Walter, 2007].
In dem Forschungsprojekt „DWH/BI-Industrialization“ wird untersucht, wie eine hoch-effiziente Informationsversorgung der Unternehmensführung zukünftig gestaltet werden kann. Effizienz wird als das Bestreben betrachtet, den geforderten Output, das heißt hier die geforderte Information, beziehungsweise die benötigten Informationskanäle, in der benötigten Qualität und in der geforderten Zeitspanne (time-to-market) mit minimalen Ressourcenaufwand zu realisieren. Für diese Optimierungsaufgabe soll die Bedeutung der drei Eckpfeiler der IT-Industrialisierung Standardisierung, Automatisierung und Modularisierung untersucht werden. Dabei wird unter Standardisierung der Rahmen von Begrifflichkeiten (Konzeptualisierungen) und deren Beziehungen über Tools und Frameworks bis zu Methoden und Prozessen gezogen. Modularisierung steht für das Konzept einer Bereitstellung und Orchestrierung von wiederverwendbaren Bausteinen auf Architektur- und Lösungsebene, die flexibel miteinander kombinierbar sein sollten. Automatisierung umfasst neben dem Aspekt der automatisierten Bereitstellung von Informationen vor allem auch die Generierungsprozesse der Informationsinfrastruktur (Data Warehouse und BI-Applikationen). Und schließlich sind kontinuierliche Verbesserungsprozesse zur Effizienzsteigerung unter den Aspekten Bereitstellungszeit, Kosten, Qualität und Agilität zu betrachten. Es ist zu untersuchen, welche Teilbereiche der Domäne „Informationsversorgung“ industrialisiert werden können und welche Bereiche individualisiert, beziehungsweise Firmen-spezifisch geprägt bleiben sollten.
Zu diesem wurde eine empirische Erhebung sowie Interviews mit DWH/BI-Stakeholder von Dezember 2015 bis Mai 2016 durchgeführt (→ Umfrageübersicht). An der Umfrage haben 54 Personen teilgenommen. Darüber hinaus wurden bislang 18 Interviews durchgeführt. Obwohl der Personenkreis auf dem persönlichen Netzwerk des Forschungsteams basiert und daher nicht repräsentativ ist, kann eine Einschätzung zur Wahrnehmung des Themas unter DWH/BI-Stakeholdern gewonnen und Ansätze für weitere Forschungen generiert werden.
Die Mehrheit der Umfrageteilnehmer (75%) ordnen sich als „Consultant“ ein. „Internal Developer“, „Process Owner or BI User“, „Software Vendor“ und andere Rollen spielen im Vergleich dazu eine untergeordnete Rolle. Wegen der Mehrfachnennungen ergibt sich eine Prozentsumme über 100%.
Über 80% der Befragten entwickeln DWH/BI-Services, gut 40% haben Management-Aufgaben und 25% nehmen auch die Rolle eines DWH/BI-Users ein. Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich. Knapp 90% der Teilnehmer sind in der Planungsphase, 75% in der Implementierungsphase und knapp 60% in der Betriebsphase involviert. Circa die Hälfte der Befragten ist derzeit in einem IT-Unternehmen beschäftigt. Die Projekte der Teilnehmer finden in verschiedenen Branchen statt. Als häufigste Branchen werden Banken (30%) und Versicherungen (20%) genannt.
Ohne Anspruch auf Verallgemeinerungsfähigkeit hier einige Beispiele für Ergebnisse der Umfrage:
Die große Mehrzahl der Befragten sehen in mindestens einem Bereich der folgenden DWH/BI-Felder
- Requirements Engineering
- Architectural Design
- Data Acquisition
- Data Layer
- Reporting
- Analytics&Forecast
Industrialisierungsbedarf (94%). Drei Viertel nennen mindestens vier Bereiche mit Industrialisierungsbedarf. 37% sehen in allen sechs Feldern Bedarf. Am häufigsten werden die Felder „Reporting“ und „Analytics&Forecast“ aufgeführt (über 80%), am seltensten „Requirements Engineering“ (knapp 60%).
Zur Erfassung der Art des Industrialisierungsbedarfes wurde die folgende Mehrfachauswahl angeboten:
- ….because of the need for best practices, patterns, industry specific templates
- ….because of the need for automation and re-usability
- ….because of the need for more standardized and modulized standard solutions
- ….because of the need for orchestration of external services (outsourcing, on-demand, BIaaS)
Für die Felder „Analytics&Forecast“, „Reporting“ sowie „Requirements Engineering“ werden modularisierte Standardlösungen am häufigsten gefordert (44%, 40%, 32%). In den Bereichen „Data Acquisition“ und „Data Layer“ ist dies die Forderung nach Automatisierung und Wiederverwendbarkeit (jeweils 46%). Für die Designphase werden am häufigsten Best Practices, Patterns, Industrie-spezifische Templates sowie Standardlösungen gefordert (je 35%).
Es ist geplant, die Umfrageergebnisse in nachfolgenden Posts mit Bezug zu Themen wie zum Beispiel Standardisierung, Automatisierung, Frameworks, Outsourcing, Cloud und Self-Service zu vertiefen sowie die Auswirkungen auf das Berufsfeld des DWH/BI-Beratung zu beleuchten. Eine Veröffentlichung ist in Vorbereitung.
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Autor dieses Blogbeitrags: Westenberger, Hartmut
Technische Hochschule Köln, Institut für Informatik
Datum: 02. August 2016
Quelle
Walter, S., M.; Böhmann, T.; Krcmar, H.: Industrialisierung der IT: Grundlagen, Merkmale und Ausprägungen eines Trends. In: HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 256 (2007) S. 6-16.